Was bedeutet traumasensibel und wieso ist diese haltung so wichtig?
Wie wird trauma definiert?
Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet allgemein Verletzung (altgriechisch τραῦμα ‚Wunde'), ohne dabei eine Festlegung zu treffen, wodurch diese hervorgerufen wurde.
Im Duden findet man diese Defintion zu Trauma: 1. starke psychische Erschütterung, die [im Unterbewusstsein] noch lange wirksam ist 2. Gewalteinwirkung entstandene Verletzung des Organismus. Laut Deutscher Traumastiftung ist die Definition: "ein belastendes Ereignis oder eine Situation, die von der betreffenden Person nicht bewältigt und verarbeitet werden kann." Wie van der Kolk anmerkt, ist ein Trauma ein Ereignis, das das zentrale Nervensystem überfordert und die Art und Weise verändert, wie wir Erinnerungen verarbeiten und abrufen.
Gabor Maté, Bessel van der Kolk und Peter A. Levine sind für uns wichtige Inspirationen und Quellen von Wissen welche wir in unsere tägliche Arbeit im Bereich Traumasensibel integrieren.
„The most important thing we can create in a space is a sense of safety so that the nervous system can start to let go of some of it’s hypervigilance, and therefore start to explore what it’s like to be in the body. “
Was ist unsere grundlage von (trauma)sensibler arbeit?
Wir setzten das Wort Trauma bewusst in Klammern, denn unser Ansatz gilt für alle Menschen, egal ob ein Trauma vorhanden ist oder nicht. Von daher ist Traumasensible Arbeit keine spezifische Technik, es ist eine innere Haltung. Uns sind folgende Punkte wichtig, in Zusammenarbeit mit allen Menschen:
wir laden dich ein, in deinem eigenen Rhythmus und Tempo zu entdecken und zu wachsen
wir legen den Fokus auf deine Selbstwirksamkeit
wir ermutige dich, deinen Körper zu spüren – in einem Masse, wie es für dich richtig ist
wir zeigen dir Tools und Techniken auf eine einladende Weise, somit hast du immer eine Wahl
wir schaffen einen offenen und einfühlsamen Raum, sowohl in der Beziehung zu dir als auch innerhalb unserer Community.
Diese Punkte kannst du durch unseren Traumasensiblen Ansatz lernen:
du lernst, dich zu akzeptieren und dadurch Veränderung einzuladen
du lernst, wie du deine Bedürfnisse wahrnehmen und anerkennen kannst
du lernst, Selbstregulation von deinem Nervensystem durch verschiedene Arten wie Breathwork, Yoga, Achtsamkeit, Bewegung
du lernst, in Verbindung zu gehen, ohne Grenzen von dir zu überschreiten
du lernst, wie du dieses Wissen, Techniken und Tools in deinen individuellen Alltag integrieren und anwenden kannst
Deine augen dürfen offen bleiben.
Wir finden traumasensibel, dürfen alle Techniken und Übungen gemacht werden. Wichtig ist, dass du anerkennst, dass du eine Wahl hast und bei jeder Technik und Übung anders reagierst. Du entscheidest, was sich für dich im Moment gerade richtig anfühlt. Die Arbeit, die wir anbieten, also Breathwork, Achtsamkeit und Yoga hat die Kraft, das System zu stärken, deine Verbindung zum Körper zu vertiefen, Resilienz zu fördern und vor allem tiefe Lebensfreude zu empfinden. Ein von Mitgefühl geprägter Unterricht, der nicht leistungsorientiert ist, ist für uns deswegen unerlässlich.
„Schliesse deine Augen.” Diese Aufforderung kann für viele Menschen überfordernd wirken. Trauma bedeutet, dass etwas für den Menschen zu viel war oder sie keine Wahl hatten. Im Yoga, Breathwork oder Meditationen werden wir oft angeleitet, unsere Augen zu schliessen, um auch unseren Geist zu zentrieren. Dies kann bei vielen Menschen Ruhe und Klarheit auslösen, jedoch für ein System, welches viel Unruhe trägt, ist es sehr kontraintuitiv und manchmal sogar quälend, die Augen zu schliessen. Es ist also vollkommen in Ordnung, den Blick während der Stunde zu öffnen und dich nach Aussen zu orientieren, dies kann dir genauso Ruhe geben, jedoch mit Sicherheit verbunden.
Wieso ist traumasensible arbeit gerade in der heutigen zeit so wichtig?
Wir leben in einer Welt, die schon lange nicht mehr nur VUCA ist – volatil, unsicher, komplex, ambig, hyperverbunden. Auch die neue Beschreibung der Arbeitswelt BANI (brüchig, ängstlich, nicht-linear, unverständlich) scheint die Anforderungen an Menschen heutzutage nicht mehr vollends einzufangen. Was beiden Konzepten fehlt ist die Anfälligkeit für Krisen und Traumen. Wir glauben, dass diese Haltung nicht nur in beratenden Funktionen, Yogaklassen und Gruppenevents von Bedeutung ist, sondern auch eine essentielle Einstellung, die wir in unserem Arbeitsumfeld, in Beziehungen und im Alltag einnehmen können.
Hier nehme ich gerne einen Ausschnitt von einem Interview zwische familylab und Gabor Maté.
Ich habe dich einmal sagen hören, dass wir in einer hochtraumatisierten Gesellschaft leben. Wie verbreitet ist Trauma in unserer heutigen Gesellschaft?
Gabor Maté: Wenn man sich die Rate von offensichtlichen Traumatisierungen aufgrund von sexuellem Missbrauch oder emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit und auch aufgrund von Kinder traumatisierendem Stress in Familien anschaut … dann ist Trauma weitverbreitet. In unserer Kultur wachsen nur wenige Menschen völlig untraumatisiert auf. Das gilt insbesondere mit den wachsenden Stressbelastungen und der immer größer werdenden Einsamkeit der Menschen – wenn sie leiden, sind sie mit ihrem Leiden allein.
Wir leben in einer extrem gestressten und traumatisierten Gesellschaft, und das lässt sich nicht von sozioökonomischen Faktoren trennen. Mit dem Neoliberalismus und dem Verlust von sinnhafter und sicherer Arbeit, mit Knappheit und dem Verlust von Gemeinschaften sind die Menschen nicht nur gestresster und traumatisierter, sie sind auch weniger resilient, weil Resilienz Verbundensein und die Unterstützung durch eine Gemeinschaft erfordert.
Wir sind der Überzeugung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, die Präsenz von Trauma in unserer Gesellschaft anzuerkennen. Wenn wir diese Erkenntnis annehmen und eine traumasensible Haltung entwickeln, können wir die damit verbundenen Themen nicht länger tabuisieren. Stattdessen schaffen wir Raum für Mitgefühl, Akzeptanz und Verständnis, wo zuvor Ohnmacht und Angst herrschten. Indem wir Menschen mit einer traumasensiblen Einstellung begegnen, erkennen wir die vielfältigen Facetten ihrer Erfahrungen an – sei es durch das, was sie offenbaren, oder durch den Raum, den wir ihnen bieten, um sich uns anzuvertrauen. Traumasensibles Arbeiten bedeutet nicht, jedem Menschen automatisch ein Trauma zuzuschreiben. Vielmehr geht es darum, mit wachen Sinnen und echtem Einfühlungsvermögen in der Interaktion mit Menschen und in der Auseinandersetzung mit belastenden Themen präsent zu sein. So können wir eine tiefere Verbindung herstellen und gemeinsam einen Heilungsprozess anstossen.
Achtsamer Konsum ist für uns auf verschiedenen Online-Kanälen wichtig. Wir lesen oft Blogs oder sehen uns Videos an, um uns abzulenken und Informationen ungefiltert in unser System aufzunehmen. Dies ist eine Einladung, darüber nachzudenken und dich zu fragen, wie dieser Artikel bei dir ankommt? Was hat deine Neugierde geweckt und was willst du wieder loslassen?
We wish you a wonderful day🤍!
Love,
Céline and Michael